Die Dimensionen der Malerei
Die Gemälde von Hans Rentschler sind Öffnungen in eine imaginäre Sphäre, bestehend aus Farben, Formen und der gestischen Dynamik des Malens, mit der diese ins Bild gesetzt sind. Auch wenn oft vor allem landschaftliche und architektonische Assoziationen naheliegen, verbleiben sie im Abstrakten, ermöglichen nur Andeutungen, die unmittelbar auch wieder aufgehoben werden im Gestus des Pinselstrichs und in der eigenen Sinnlichkeit der Farben. Jede seiner Kompositionen empfängt den Blick des Betrachters an der Oberfläche der Farben, um ihn dann in die Tiefe ihrer Schichtungen und in die Konstruktion seines architektonischen Motivs zu entführen. Dabei hält der Künstler aber sowohl die gegenständlichen Assoziationen beharrlich in der Schwebe als auch die räumliche Wahrnehmung seiner Bilder und führt den Blick immer wieder an die Oberfläche zurück, dorthin, von wo aus sich die malerische Verdichtung ereignet, wo alles Malen wirklich und habhaft stattfindet.
In seinen Bildern geht es dem Künstler neben der Form, der Darstellung, gleichermaßen um das Malen an sich. Wiedererkennbares abzubilden ist nicht des Künstlers Interesse, sondern eine eigene Vorstellungswelt der Kunst aus der Malerei, ihren Farben und Formen hervorzubringen, die möglicherweise mit unserer Daseinserfahrung Berührung hat. Mit der Musikalität, dem Klang von Farben, Gesten und Formen hat dies viel zu tun.
Die mehr zu ahnenden denn wirklich zu bestimmenden abbildlichen Assoziationen sind aufgelöst in der sich von aller Gegenständlichkeit freisprechenden Malerei. Figur und Farbfläche durchdringen sich, Diskontinuität macht das Wechselspiel zwischen Bildfläche und imaginärem Bildraum zum nirgends zu entschlüsselnden Geheimnis der malerischen Präsenz der Bilder. In ihrem Aktionsfeld sprengt die Anschaulichkeit des rein Malerischen die Grenzen jeglicher Begrifflichkeit und Bestimmung. Darin liegt ihre Stärke und Autonomie begründet. Hans Rentschlers Malerei ist verankert in dem von den Künstlern des 20. Jahrhunderts in ihren Bildern geführten Diskurs um die Freisetzung der Malerei. Unverkennbar hat für ihn der Abstrakte Expressionismus, besonders das Action-Painting von Franz Kline in den späten 40er und 50er Jahren in den USA und von K.R.H. Sonderborg, inspirierende Bedeutung. Entscheidend ist nicht die Abstraktion, sondern die direkte Malerei, die Eigenständigkeit der Farben und Formen als dynamische Spuren von Gesten, in denen psychische Befindlichkeit und die Motorik des Malens ihren unmittelbaren, dynamischen Niederschlag finden und von dem Bildraum Besitz ergreifen. Wesentlich ist die Präsenz, und dafür steht das Gemalte.
Werner Meyer