Das Besondere an Joachim Hiller ist, dass er seine Werke, Tausende von Gemälden, Reliefbildern, Zeichnungen und Aquarellen, über fast vier Jahrzehnte hinweg in völliger Unabhängigkeit und in
bewusster Distanz zum Kunstmarkt geschaffen hat. Nach seinem Studium an der Meisterschule für Kunsthandwerk in Berlin 1953 hat Hiller jahrelang als Grafiker und Art Director gearbeitet, bevor er sich
im Jahr 1969 dazu entschloss, sich ausschließlich seiner Malerei zu widmen. Abseits vom kommerziellen Kunstbetrieb, ohne Galerievertretung, ohne Ausstellungsbeteiligungen und unabhängig von
wechselnden künstlerischen Moden war und ist er allein darauf konzentriert, seine Malerei inhaltlich und technisch weiter zu entwickeln und seinem Lebensthema, der künstlerischen Erforschung
naturhafter Strukturen, immer neue und überraschende Seiten abzugewinnen.
In der Freiheit von jeglichem Anpassungsdruck entstand so ein einzigartiges, eigenständiges Werk von ungewöhnlichem Reichtum an Themen und malerischen Verfahrensweisen. Hiller hat das Repertoire dessen, was Malerei sein und leisten kann, mit seinem an wissenschaftliche Akribie grenzenden Forscherdrang wesentlich erweitert. Um Strukturen auf die Leinwand zu bringen, die den verschiedensten Formbildungs- und Formzersetzungsprozessen der Natur abgeschaut (aber nicht bloß abgebildet!) sind, hat Hiller ganz neue Methoden des Farbauftrags und der Materialbehandlung gefunden. Zerbrochene Reliefflächen, Eisblumen aus Farbsubstanz oder der Farbauftrag auf kleinteilig zerknitterte Leinwände sind nur wenige Beispiele für Hillers zahlreiche Innovationen. Mit solchen Erweiterungen der Malerei gelang und gelingt es dem Künstler immer noch, die unerschöpfliche Vielfalt der Naturkräfte zu thematisieren, die sich, der antiken Elementenlehre folgend, grob in die Themenbereiche Erde, Wasser, Feuer und Luft aufteilen lassen. Vielfältig wie die Natur sind auch Hillers stilistische Mittel. Ausgehend von einer dem Tachismus nahestehenden Malerei erweiterte er sein Repertoire an Formmöglichkeiten ohne jeden Dogmatismus: Illusionistische räumliche Wirkungen sind ihm ebenso vertraut wie greifbare Materialwirkungen, geometrisch präzise Strukturen haben in seinem Werk ebenso Platz wie organisch wachsende Zufallsformen oder serielle Strukturen.
Die aus künstlerischer Freiheit, wissenschaftlicher Neugier und handwerklicher Präzision gespeiste Malerei Hillers ist nach dem Willen des Künstlers nun seit wenigen Jahren dem Publikum zugänglich. Der große Erfolg und das rege Interesse, das diese Werke bei Galerieausstellungen und Messepräsentationen erzielten, haben deutlich gezeigt, dass sie ihre Prägnanz und ihre Faszination über die Jahre nicht nur bewahrt, sondern geradezu gesteigert haben. Die Arbeiten Hillers wirken in ihrer Formensprache vollkommen modern und auf der Höhe der Diskussionen um die Möglichkeiten der Malerei heute; seine Thematik, die nicht-abbildhafte, sondern strukturelle Darstellung von Naturprozessen ist hingegen von zeitloser Aktualität. Gerade unser Verhältnis zur Natur als unserer Lebensgrundlage bedarf nicht bloß der politischen, ökonomisch-ökologischen und philosophischen Durchdringung, sondern ebenso der künstlerischen Auseinandersetzung. Joachim Hillers Werk leistet diese Auseinandersetzung in exemplarischer Weise.
Dr. Peter Lodermeyer, Kunsthistoriker und
freier Autor, Bonn