Valery Koshlyakov, geboren 1962 in Salsk (Russland), überrascht durch ein Übermaß an Genialität und Kreativität vereint mit Anspruchslosigkeit seiner Materialien. Arbeiten in Wellpappe, vom
zerrissenen Fragment bis zur monumentalen Architekturskizze, sowie Blitzkreationen in braunen Klebstreifen sind mitunter zu seinen Markenzeichen geworden.
Valery Koshlyakov besuchte von 1979 - 85 die Kunsthochschule Rostov am Don, wo er die auf das klassische akademische Ideal orientierte sowjetische Ausbildung erhielt. Danach galt er wegen seiner Gesinnung und Malweise als Nonkonformist und wurde vom Staat somit nicht akzeptiert. Der Kreis seiner Rostover Künstlerfreunde, vom rebellischen Geist der Perestrojkazeit getragen, gründete die Gruppe „Kunst oder Tod“ und wagte bald manches Experiment jenseits der offiziellen Linie, wie etwa die nicht genehmigte (und schnell zwangsgeschlossene) Ausstellung „Himmelblauer und Rosa Salon“ in den öffentlichen Toiletten der Stadt. Ende der 80er Jahre zog es die jungen Avantgardisten ins Zentrum des Geschehens nach Moskau. Koshlyakov hatte keinen Stadtpass, der zum Leben in Moskau berechtigte, weshalb er im Untergrund der dortigen Künstlerszene weiter arbeitete.
Als Galerist Walter Bischoff 1992 in Moskau einen seiner Künstler bei einer Ausstellung repräsentierte, nutzte er die Gelegenheit sich in der Moskauer Künstlerszene zu orientieren und besuchte zahlreiche Ateliers. Darunter war auch das Atelier von Koshlyakov. Koshlyakovs grandiose Arbeiten, entstanden unter ärmlichen Lebensumständen, faszinierten Bischoff auf Anhieb. Ihm war klar, dass hier Außergewöhnliches geschah und Koshlyakov ein weit überdurchschnittliches Talent ist. Nach großen behördlichen Hürden ermöglichte Bischoff Koshlyakov längerfristige Atelieraufenthalte in Stuttgart und San Jose (USA) und zeigte ihn 1992 erstmals und sehr erfolgreich bei der Art Cologne. Daraufhin wurde Russland auf Koshlyakov aufmerksam. Fortan wurde er in Russland akzeptiert und unter anderem mit Museumsausstellungen gewürdigt. Sein Bekanntheitsgrad und Ansehen nahmen ab diesem Zeitpunkt rasant zu. So vertrat er Russland bei der Biennale Sao Paulo 2002 und bei der Biennale Venedig 2003. Es folgten Ausstellungen weltweit, unter anderem im MACRO Museum Rom, im Guggenheim Museum New York, in der Tretjakov Galerie Moskau, im Louvre Paris sowie in der Saatchi Gallery London. Werke von Koshlyakov sind mittlerweile in nahezu allen russischen Museen und in zahlreichen namhaften Sammlungen vertreten. Er gehört heute zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern Russlands.
Für Koshlyakovs Werk sind die klassischen Bildthemen seiner Studienzeit, Motive aus dem Weltkulturerbe aller Zeiten, über die Jahre prägend geblieben. Gemäß seiner Überzeugung führt die Architektur unter den bildenden Künsten als einzige wirklich mitten ins gesellschaftliche Leben hinein. Seine Arbeiten zeigen unter anderem das Spannungspotential zwischen klassischer römischer Architektur, Bauten des Weltkulturerbes und der zum Teil tristen Architektur Russlands. Wiederkehrend finden sich Gelb-, Grau-, und Brauntöne, die schwarzweiß kopierten Abbildungen der Architekturen werden grafisch mittels Kreide eingearbeitet. Oft läuft Farbe in wässrigen Linien über den Untergrund. Ebenfalls portraitiert er monumentale Skulpturen, wie zum Beispiel römische oder griechische Götter. So klassisch die Bildthemen meist sind, so wenig konventionell sind seine Malvorlieben. Zu Koshlyakovs bevorzugten Wirkungsträgern gehören unter anderem wertlose, alte Kartonstücke, die er mit all ihren Gebrauchsspuren übermalt und neu verknüpft. Auf den Verpackungen sind Risse, Knicke, Aufkleber und Stempel klar zu erkennen, die ins Architektonische überspielen und zugleich Ausdruck der Vergänglichkeit sind. Genau dieser Gegensatz zwischen dem abgegriffenen Material und den ästhetischen Architekturzeichnungen und Portraits erzeugen eine ganz besondere Spannung in seinen Werken. Neben Karton verwendet er auch Styroporplatten als Wirkungsträger, die er durch heftiges Bearbeiten mit Farbe und spitzen Gegenständen noch desolater wirken und zugleich die Beschädigung in den Bildinhalt mit einfließen lässt. Ebenso ist Packklebeband als Medium ein weiteres Markenzeichen Koshlyakovs geworden. Das Klebeband selbst stellt dabei das Bild dar und der Bildträger tritt dabei völlig in den Hintergrund und ist im Idealfall eine Wand, ein Boden oder ein Fenster. Den Worten Koshlyakovs folgend ist Packband „das Rötel des zeitgenössischen Zeichners“, der schnell eine monumentale Skizze hinwirft. Buntes Klebeband wird eingesetzt wie breiter Pinselstrich, durch die Transparenz des Materials Farbmischungen und -intensitäten erzeugend, in der Bildwirkung überraschend realistisch oder expressiv-gestisch. Das Material erfordert schnelles, zielsicheres Arbeiten. Ein „Bliltzmaterial“, wie der Künstler sagt, in seiner glänzenden Schärfe und Klarheit geeignet, die Brillanz gebauter Architektur einzufangen. Neben seinen ursprünglichen Schaffensmedien ist ebenso die Leinwand seit vielen Jahren als Arbeitsmaterial Koshlyakovs nicht mehr wegzudenken. Auch hier versteht er es in Perfektion dem Kontrast zwischen meisterhaften Abbildungen und dem Rustikalen gerecht zu werden.
So verschränken sich im Werk Koshlyakovs Raum und Fläche, Alt und Neu, „hohe“ Bildthemen und „armes“ Material, steinerner Anspruch auf materielle Dauer und kulturelle Bedeutung mit Ephemerem- Wiedersprüche und Gegensätze, die im Bild zu einer harmonischen Einheit finden.